Beijing - China für Anfänger

Der letzte Abschnitt der Transsibirischen Eisenbahn war geschafft, nach etlichen Kilometern und Stunden im Zug war ich endlich in Beijing. Der Bahnhofsplatz war voll mit Menschen, wie man es in China erwartet und der Himmel war strahlend blau, wie man es aufgrund der Smogwarnungen nicht erwartet. Also brauchte ich meine Atemschutzmaske erstmal nicht, eine positive Überraschung. Da mein Hostel ziemlich zentral gelegen war, machte ich mich zu Fuß auf den Weg. Trotz des Wirrwarrs aus chinesischen Schriftzeichen war ich auf dem richtigen Weg und ein chinesischer Herr zeigte mir den Eingang zum Hostel, an dem ich sonst sicher erst einmal vorbei gelaufen wäre. Ungefragt Hilfe bekommen, das entsprach so gar nicht meiner Vorstellung von China. Aber dann ergab sich schon das erste Problem: mein vorab installierter VPN Service funktionierte nicht. Eher schlecht, da in China nicht nur Facebook, Youtube & Co der Zensur unterliegen, sondern auch alles von Google und damit auch der Android Playstore (und komischerweise auch mein Blog!). Ich hätte nie gedacht, dass ich "googlen" vermissen würde, aber Baidu oder Yahoo sind einfach nicht das gleiche und ehrlich gesagt klingt "ich yahoo das mal" auch nicht annähernd so überzeugend. Immerhin kann man heutzutage auch noch ohne Facebook Bekanntschaften machen und so begleiteten mich der Schwede und der Engländer aus meinem Zimmer zum Abendessen. Wir fanden ein kleines lokales Restaurant um die Ecke und bestellten per Fingerzeig auf die Fotos der Gerichte an der Wand. (Die sind sehr hilfreich, wenn man ohne nennenswerte Chinesisch Kenntnisse bestellen möchte.) Der Besitzer machte sogar ein Foto von uns mit seinem Handy. So hatte ich es mir hier schon eher vorgestellt...

Mein erster Eindruck von Beijing
Mein erster Eindruck von Beijing

Chinesiche Menschenmengen und eine Geburststagsente aus Peking

Zurück im Hostel genossen wir die obligatorische Happy Hour (zwei Bier zum Preis von einem), die wir an keinem der folgenden Abenden verpassten. Während ich mein Bier trank, fiel mir ein, dass ich ohne Facebook keine Möglichkeit hatte mit meinen Freunden Arthur und Kirstie zu kommunizieren. Wir haben uns in Sibirien kennen gelernt und durch Zufall sollten sie genau am gleichen Tag mit der Fähre aus Südkorea ankommen und wir wollten uns unbedingt noch einmal treffen. Ich hatte ihnen immerhin den Namen meines Hostels geschickt, also konnte ich nur abwarten. Zu meiner Überraschung kamen sie ein paar Minuten später in die Bar spaziert!!! Sie hatten ein Zimmer im gleichen Hostel gebucht, um die Dinge etwas einfacher zu gestalten. Unser Wiedersehen wurde natürlich mit ein paar Bier gefeiert. Um Mitternacht hatten wir noch mehr Grund zum Feiern, Arthurs Geburtstag, und ich konnte ihm endlich die total zerbeulte Baltika Dose überreichen, die ich wie durch ein Wunder in Ulaanbaatar gefunden hatte. (Baltika ist unser russisches Lieblingsbier. Wer mehr dazu und zu Kirstie und Arthur wissen will, gelangt hier zu meinem Post über Listvyanka.) Da wir alle etwas müde von unseren langen Reisen waren, gingen wir bald ins Bett. Am nächsten Abend sollte es ein großes Geburtstagsessen geben.

Blick auf die Verbotene Stadt
Blick auf die Verbotene Stadt

Vor dem Essen stand Sightseeing auf dem Plan, wir besichtigten eine von Beijings grössten Touristenattraktionen, die nördlich vom Tian’anmen Platz liegende verbotene Stadt. Von ihrer Fertigstellung in 1420 bis 1912 regierte der chinesische Kaiser das Land von dort aus. Der gewöhnlichen Bevölkerung war zu dieser Zeit jeglicher Zutritt verwehrt, daher der Name. Schon allein die Größe der gesamten Anlage war überwältigend (720.000 m², 890 Paläste und insgesamt 8.886 Räume), dazu kamen all die winzigen Details an und in jedem Gebäude und die aufwendigsten Ausstellungsstücke, meist Geschenke an den Kaiser. Angeblich sollen zeitweise eine Millionen Sklaven und über 100.000 Kunsthandwerker am Bau beteiligt gewesen sein. Während unseres Besuchs wurde der Himmel immer dunkler und dunkler. Man könnte meinen das sei normal, das dachten wir auch bis uns auffiel, dass es keine Wolken waren, sondern wir direkt durch den dichten Smog in die Nachmittagssonne schauen konnten. Meine Atemschutzmaske wurde natürlich sofort eingeweiht. Gegen 16:30 Uhr füllten sich die Gänge um uns immer mehr mit Menschen, die Richtung Ausgang strömten, einer Herde von Schafen gleich, getrieben von Wärtern mit Megafon. Wie Schäferhunde passten sie auf, dass keiner zurück und zu lang blieb. Danach begann das wahre Chaos, als auf die Menschenmenge, die durch die Tore der verbotenen Stadt quoll, eine Menschenmenge aus Straßenverkäufer, Rikschafahrer und Bettler stürmte. Nach ein paar Metern wurde uns klar, dass die gesamte Strasse mit aufdringlichen Chinesen gesäumt war, die uns ihre billigen Souvenirs und alles nur erdenkliche direkt unter die Nase hielten. So etwas wie einen persönlichen Raum gibt es in China irgendwie nicht. Eine Abzweigung später konnten wir uns wieder einigermaßen frei bewegen und machten uns etwas entspannter auf den Weg zurück zum Hostel.

Für unsere kleine Feier am Abend kamen noch meine beiden Freunden vom Vortag und ein Amerikaner dazu. Letzterer konnte etwas Chinesisch sprechen, was uns bei der Bestellung sehr half. In dem Restaurant gab es zwar die Pekingente, die sich Arthur zu seinem Geburtstag gewünscht hatte, aber es sprach niemand Englisch. Wir bekamen außerdem eine Kellnerin nur für unseren Tisch, die uns dann mit Stäbchen gekonnt vorführte wie man das Entenfleisch, etwas klein geschnittenes Gemüse und einen kleinen grünen Teigfladen eine Art Wrap zaubert. Dazu gab es ein paar große Flaschen Bier mit je einem kleinen Glas für jeden. Die Gläser haben auch einen Sinn, denn wenn Chinesen mit einem "Gan bei!" (Aussprache wie Gambe!) anstoßen, muss das Glas in einem Zug geleert werden. Also besser nie die große Flasche zum Anstoßen benutzen. Zum Abschluss des Abends machten wir uns auf den Weg zu Beijings berühmter Barstraße. (Zu Fuß und es waren nicht die versprochenen 20 Minuten, sondern über eine Stunde. Auf dem Rückweg haben wir uns ein Taxi gegönnt.)

Ein Huhn und ein toter Kommunist

Unsere Zeit in Beijing verging wie im Flug, dort gibt es so viel zu entdecken. Mit meinen Zimmergenossen, mittlerweile waren noch ein Pole und ein Brasilianer dazu gekommen (ziemlich international), besuchte ich unter anderem den berühmten 798 Art Distrikt. In einem alten Industriegebiet wurden dort unendlich viele Galerien eingerichtet, manche der Ausstellungen waren echt unglaublich, bei anderen fragten wir uns, ob man das wirklich Kunst nennen kann. Besonders skurril war ein einzelnes, verlorenes Huhn, das durch die Strassen irrte. Nach alldem gesehenen fragten wir uns, ob das wohl auch eine künstlerische Inszenierung sei. Alle zusammen unternahmen wir einen Ausflug zum etwas außerhalb gelegenen Sommerpalast. Der Spaziergang um den See war wirklich schön, obwohl wir aufgrund des eiskalten Windes das Ende nicht wirklich genießen konnten.

Eine Erfahrung, die ich auf jeden Fall nie vergessen werde, war der Besuch des Mao Mausoleum inklusive eines toten, einbalsamierten Maos. Das ist wirklich mein Ernst, anstatt wie von ihm gewünscht kremiert zu werden, haben die Chinesen ihren geliebten Kommunistenführer einbalsamiert und für ein paar wenige Stunden am Tag kann man ihn bewundern. Nach drei Sicherheitskontrollen waren wir im inneren Zirkel, wo Mao Zedung, der mittlerweile einer Wachsfigur gleicht, in einem Kristallsarg aufgebahrt lag. Selfies mit dem Toten gelten leider als unangemessen, deswegen habe ich keine Bilder. Es ging uns eigentlich mehr um das ganze Erlebnis, als darum eine Leiche zusehen. Ich habe noch nie etwas vergleichbares erlebt, das ganze hatte einen etwas surreal wirkenden Charakter. Wir hatten Schwierigkeiten uns das Lachen zu verkneifen, während wir mit demütig schauenden und ausnahmsweise stillen Chinesen an dem durchsichtigen Sarg, umringt von Soldaten mit finsterer Mine, vorbei gingen. (Stehen bleiben ist absolut nicht erlaubt!) Vielleicht war es nicht die beste Idee, auf der gesamten Hinfahrt von der Möglichkeit einer Mao-Zombie-Invasion zu sprechen. Natürlich kann man am Ausgang sämtliche nur vorstellbaren Mao Memorabilien kaufen. Die Verkäufer und der Sonnenschein halfen uns zurück in die Realität zu finden.

Verlassen des Mao Mausoleums
Verlassen des Mao Mausoleums

In China essen sie Hunde...

Mit Arthur und Kirstie schlenderte ich einfach so durch die Strassen und Hutongs (schmale Gassen mit den traditionellen Hinterhofhäusern), um das "echte" Beijing kennen zu lernen. Besonders interessant war für uns die Essenskultur. Wir versuchten so viel Streetfood, wie möglich auszuprobieren egal ob gedämpft, frittiert oder gebacken, unter anderem gab es winzige runde Eier am Spieß, riesige Portionen gebratenen Nudeln, gefüllte gedämpfte Brötchen und in einem Restaurant um die Ecke von unserem Hostel war mein persönlicher Favorit eine Suppe, die man sich aus den einzelnen Zutaten von einer Art Buffet selbst zusammen stellen konnte. Ich muss euch leider enttäuschen ich habe weder mit Schokolade überzogene Spinnen, noch Hund oder Schlange gegessen.

An dem letztem Vormittag in Beijing besuchte ich mit Kirstie und Arthur den Himmelstempel, in dem die chinesischen Kaiser jedes Jahr für eine gute Ernte beteten. Um die Parkanlage zu betreten, muss man Eintritt zahlen, was wir in China mittlerweile schon gewöhnt waren. Aber danach stellten wir fest, dass wir für jeden einzelnen Tempel zusätzlich zahlen sollten. Da wir das Prinzip unmöglich fanden, entschieden wir uns dann wirklich nur den Himmelstempel anzuschauen. Danach schlenderten wir noch etwas durch den Park, wir hatten ja schließlich dafür gezahlt, bis wir uns auf den Weg zum Busbahnhof machen mussten. Unser nächstes Ziel war eins, auf das ich mich am meisten gefreut hatte, die Chinesische Mauer! Bald mussten wir fest stellen, dass uns Beijing mit Samthandschuhen angefasst hatte und wir bis jetzt nur China für Anfänger kannten...

Wenn ihr wissen wollt, wo ich mich zur Zeit aufhalte...

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